Natürlich schön – aber nicht immer besser
Natürlich schön – aber nicht immer besser, Foto: Pixabay

In den letzten Jahren hat sich Naturkosmetik von einer Nische zu einem wichtigen Trend entwickelt. Immer mehr Verbraucher greifen zu Produkten, die als “natürlich“, “umweltfreundlich“ oder “gesund“ beworben werden. Die Naturkosmetik-Branche wächst rasant – in Deutschland hält sie mittlerweile rund 10 % Marktanteil am gesamten Kosmetikmarkt, mit über 1,5 Milliarden Euro Umsatz (Stand 2024). Doch bedeutet “natürlich“ bei Kosmetika tatsächlich automatisch “besser“? Im Folgenden beleuchten wir die gängigsten Mythen und Fakten rund um Öko-Kosmetik und klären, was wirklich dran ist.

Mythos 1: Wo “natur” draufsteht, ist auch nur Natur drin

Viele glauben, dass ein Produkt mit der Aufschrift “Naturkosmetik“ ausschließlich natürliche Zutaten enthält. Tatsächlich sind Begriffe wie Naturkosmetik oder Bio-Kosmetik rechtlich nicht geschützt – Hersteller können ihre Produkte so nennen, auch wenn nur ein Bruchteil der Inhaltsstoffe natürlichen Ursprungs ist. Das führt zu Greenwashing: Mit grünen Verpackungen, Pflanzensymbolen oder Aussagen wie “95 % Inhaltsstoffe natürlichen Ursprungs“ wird Naturreinheit suggeriert, obwohl oft chemisch-synthetische Komponenten enthalten sind.

Um echte Natur- oder Öko-Kosmetik zu erkennen, sollte man auf unabhängige Naturkosmetik-Siegel achten. Zertifikate wie COSMOS Natural/COSMOS Organic oder das NATRUE-Siegel setzen strenge Kriterien fest und verbieten z.B. Erdölprodukte, Silikone, PEG-Emulgatoren und viele künstliche Konservierungsmittel. Sie liefern Verbrauchern Orientierung, welche Produkte tatsächlich hohe natürliche Standards erfüllen. Kurz gesagt: Nicht jedes “natürliche” Label hält, was es verspricht – ein Blick auf seriöse Siegel und die Ingredients-Liste schützt vor Mogelpackungen.

Mythos 2: Naturkosmetik enthält „keine Chemie“

„Frei von Chemie“ – mit diesem Slogan werben manche Öko-Produkte. Doch streng genommen ist dieser Begriff Unsinn, denn alles um uns herum ist Chemie. Wasser zum Beispiel ist eine chemische Verbindung (H₂O) – trotzdem würde niemand es als gefährlich bezeichnen. Naturkosmetik verzichtet zwar auf bestimmte synthetische Stoffe (wie künstliche Farb- oder Duftstoffe, petrochemische Öle usw.), aber auch sie besteht aus chemischen Substanzen. Häufig werden natürlich gewonnene Rohstoffe in Laboren weiterverarbeitet oder naturidentische Stoffe eingesetzt – letztere werden chemisch hergestellt, sind aber mit in der Natur vorkommenden Molekülen identisch. Begriffe wie “chemiefrei“ sind also eher als Werbesprache zu verstehen und nicht wörtlich.

Entscheidend ist: “Natürlich” ist nicht automatisch “ungiftig”. Selbst hochgefährliche Elemente wie Arsen oder Quecksilber kommen natürlich in der Umwelt vor – “natürlich“ bedeutet also nicht automatisch, dass ein Inhaltsstoff sicher oder gesund ist. Umgekehrt können manche synthetische Inhaltsstoffe in Kosmetika sehr gut verträglich und sicher sein. Es kommt immer auf die konkrete Substanz und ihre Konzentration an, nicht allein auf deren Herkunft.

Mythos 3: Natürliche Inhaltsstoffe sind immer besser für die Haut

Ein weit verbreiteter Glaube lautet: Was aus der Natur kommt, ist sanfter und hautverträglicher. Leider stimmt das so pauschal nicht. Zwar meiden Naturkosmetik-Hersteller viele potenziell reizende künstliche Zusätze – etwa einige synthetische Duftstoffe oder aggressive Konservierer. Doch auch natürliche Pflanzenstoffe können Hautprobleme auslösen. Typische Beispiele sind ätherische Öle und natürliche Duftstoffe: Sie duften herrlich, können aber bei empfindlicher Haut Rötungen, Reizungen oder allergische Reaktionen hervorrufen. Viele der bekannten Kontaktallergene in Kosmetika stammen aus Pflanzenextrakten. So hat die EU kürzlich beschlossen, die Liste deklarationspflichtiger Duft-Allergene in Kosmetik auf 80 Stoffe zu erweitern – darunter finden sich etliche natürliche Komponenten wie solche in Lavendelöl oder Eichenmoos. Das zeigt, dass selbst rein pflanzliche Zutaten nicht automatisch mild sind.

Der Irrglaube über die Wirkung natürlicher Kosmetik auf die Haut
Der Irrglaube über die Wirkung natürlicher Kosmetik auf die Haut, Foto: Pixabay

Die Hautverträglichkeit eines Produkts hängt weniger von „natur“ oder „synthetisch“ ab, sondern von der Formulierung und dem Testverfahren. Dermatologisch geprüfte Naturkosmetik kann genauso gut oder schlecht verträglich sein wie konventionelle Produkte. Deshalb gilt für Allergiker und Sensible: Immer die Inhaltsstoffliste (INCI) prüfen – bei jedem Produkt, egal ob Bio-Creme oder normale Creme. Zum Glück verzichten viele Naturkosmetikmarken auf die häufigsten Allergieauslöser (z.B. künstliche Duftmischungen) und arbeiten mit kürzeren Zutatenlisten, was insbesondere empfindlicher Haut entgegenkommt. Aber eine Garantie, dass man jede Naturkosmetik ohne Reaktionen verträgt, gibt es nicht.

Mythos 4: Naturkosmetik ist automatisch umweltfreundlicher

Auf den ersten Blick klingt es logisch, dass naturbasierte Kosmetik besser für die Umwelt ist. Pflanzliche Öle und Wachse sind schließlich nachwachsende Rohstoffe, viele Bio-Marken achten auf ökologische Verpackungen und vermeiden problematische Stoffe wie Mikroplastik. Allerdings muss man genauer hinsehen: Die tatsächliche Umweltbilanz eines Produkts hängt von mehreren Faktoren ab – vor allem von der Herkunft der Rohstoffe, der Verpackung und dem Herstellungsprozess.

Beispielsweise kommt in Naturkosmetik oft Palmöl zum Einsatz (als Basis für Seifen, Cremes oder Tenside). Konventionelles Palmöl steht in Verbindung mit Regenwald-Abholzung, Verlust von Biodiversität und sozialen Problemen in den Anbauländern. Wird hingegen zertifiziertes nachhaltiges Palmöl oder alternative Öle verwendet, sieht die Bilanz besser aus. Ähnlich verhält es sich mit mineralischen Zutaten: Für schimmernde Make-up-Effekte wird gern Glimmer (Mica) verwendet – dessen Abbau in Minen kann Umweltschäden verursachen und geschieht teils unter schlechten Arbeitsbedingungen. Naturkosmetik ist also nicht per se “sauber” für die Umwelt, nur weil sie natürlichen Ursprungs ist. Man sollte auf nachhaltige Herkunft und entsprechende Zertifizierungen (etwa Fair Trade, RSPO für Palmöl, etc.) achten.

Auf der anderen Seite vermeidet zertifizierte Öko-Kosmetik viele Stoffe, die Umweltprobleme bereiten können – z.B. kunststoffbasierte Mikroperlen, bestimmte Silikone oder nicht abbaubare Verbindungen. Die Verpackungen sind oft einfacher recyclingfähig, und Nachfüllsysteme werden populärer. Unterm Strich lässt sich sagen: Die Ökobilanz muss für jedes Produkt einzeln betrachtet werden. Naturkosmetik-Hersteller bemühen sich in der Regel um umweltfreundlichere Konzepte, doch es kommt auf Umsetzung und Transparenz an. Ein „grünes Image“ allein garantiert keine perfekte Nachhaltigkeit.

Mythos 5: Naturkosmetik wirkt schlechter als konventionelle Produkte

Manche Verbraucher befürchten, dass eine Creme oder ein Shampoo auf Pflanzenbasis nicht so effektiv ist wie die High-Tech-Lotion aus dem Labor. Dieser Mythos stammt aus früheren Zeiten, als Naturprodukte oft simpler formuliert waren. Inzwischen hat die Naturkosmetik enorme Fortschritte gemacht. Dank moderner Forschung stehen heute auch natürlichen Linien leistungsfähige Wirkstoffe zur Verfügung. Viele Naturkosmetik-Seren und -Cremes enthalten beispielsweise Hyaluronsäure, Vitamin C oder innovative Pflanzenextrakte, die nachweislich straffend, feuchtigkeitsspendend oder regenerierend wirken. Solche Inhaltsstoffe wurden in der konventionellen Kosmetik erprobt und finden nun auch in Bio-Produkten Verwendung – oft sogar in vergleichbarer Konzentration.

Tatsächlich gibt es zahlreiche Studien und Entwicklungen, die die Wirksamkeit von Naturkosmetik bestätigen. Anti-Aging-Produkte auf natürlicher Basis können mit klassischen Produkten mithalten. Natürlich gilt: Nicht jedes Produkt (ob konventionell oder natürlich) hält alle Versprechen. Entscheidend ist die Zusammensetzung und konsequente Anwendung. Aber pauschal zu sagen, Naturkosmetik “bringt nichts”, ist überholt. In einigen Bereichen hat Naturkosmetik sogar Vorteile – zum Beispiel verzichten Shampoos ohne Silikone auf filmbildende Stoffe, wodurch das Haar langfristig weniger beschwert wird.

Wer die gleiche Wirksamkeit erwartet, sollte außerdem auf zertifizierte Marken mit guter Forschung setzen. Viele bekannte Naturkosmetik-Hersteller investieren in Wirksamkeitsstudien und haben eigene Labore, sodass ihre Produkte klinisch getestet sind. Kurz gesagt: Naturkosmetik kann heute genauso wirksam sein wie herkömmliche Kosmetik, sofern sie gut formuliert ist.

Mythos 6: Naturkosmetik ist teurer und Luxus

Bio und Öko – da denkt man schnell an hohe Preise im Fachhandel. Es stimmt, dass es hochpreisige Naturkosmetik-Marken gibt, doch das Angebot deckt mittlerweile alle Preisklassen ab. In Drogeriemärkten findet man günstige Eigenmarken mit Naturkosmetik-Siegel (z.B. Alverde, Alterra), die preislich kaum teurer sind als konventionelle Produkte. Gleichzeitig existieren luxuriöse Bio-Seren für dreistellige Beträge. Preis ist kein zuverlässiger Indikator, ob etwas naturkosmetisch ist oder nicht.

Sind Naturkosmetikprodukte teurer?
Sind Naturkosmetikprodukte teurer?, Foto: Pixabay

Laut Marktdaten greifen aber insbesondere jüngere Käufer gern auch zu günstigeren Naturkosmetik-Produkten. Handelsmarken haben vielen Menschen den Einstieg erleichtert, während teure Marken eher von einer kleineren, zahlungskräftigen Kundschaft gekauft werden. Unterm Strich findet jeder etwas im passenden Budget. Wer also denkt “Naturkosmetik kann ich mir nicht leisten”, sollte einen Blick auf das breite Sortiment werfen – von der Basiscreme für wenige Euro bis zur Premium-Pflege ist alles dabei.

Zu bedenken ist auch, dass konventionelle Kosmetik durchaus ebenfalls sehr teuer sein kann (Luxus-Parfums, Designer-Cremes etc.). Der Preisunterschied liegt oft eher in Marketing und Markennamen als in den Inhaltsstoffen. Ein natürlicher Inhaltsstoff wie Arganöl kann teurer sein als ein billiges Mineralöl – aber teure High-End-Chemielaborexzesse gibt es auf beiden Seiten. Wichtig für Verbraucher ist, Preis und Leistung abzuwägen: In vielen Fällen erzielt man mit einer zertifizierten Naturcreme für 10 € genauso gute Ergebnisse wie mit einer 50-€-Designercreme voller Silikone.

Mythos 7: „Ohne Konservierungsstoffe“ bedeutet ohne Konservierung

Ein häufiges Verkaufsargument in der Öko-Ecke ist die Aufschrift “ohne Konservierungsstoffe“. Das klingt, als wäre das Produkt völlig frei von Konservierung und deshalb besonders hautschonend. Doch Vorsicht: Fast jedes Kosmetikprodukt, das Wasser enthält (Cremes, Lotionen, Shampoos usw.), muss konserviert werden, sonst würde es innerhalb kurzer Zeit verderben – ähnlich wie frische Milch außerhalb des Kühlschranks. Wenn auf einem Tiegel „ohne Konservierungsstoffe“ steht, bedeutet das in der Praxis meist, dass keine bestimmten künstlichen Konservierer aus der offiziellen Liste verwendet wurden. Stattdessen greifen Hersteller auf alternative Methoden zurück: Zum Beispiel Alkohol, organische Säuren (wie Sorbinsäure), pflanzliche Extrakte mit antimikrobieller Wirkung oder schlicht eine Kombination aus Hygiene und kurzer Haltbarkeit.

Sind Naturkosmetikprodukte ohne Konservierungsstoffe teurer
Sind Naturkosmetikprodukte ohne Konservierungsstoffe teurer, Foto: Pixabay

Tatsächlich kommt kein seriöser Anbieter ganz ohne Konservierung aus – denn Keimfreiheit und Produktsicherheit gehen vor. Produkte, die als “konservierungsmittelfrei” deklariert sind, enthalten oft versteckte Konservierungsstoffe, die laut Kosmetikverordnung nicht als solche deklariert werden müssen (etwa weil sie zugleich Duftstoff oder Lösemittel sind). Für Verbraucher heißt das: Nicht blind von solchen Aufschriften täuschen lassen. Im Zweifel lohnt ein Blick auf die Zutatenliste; häufig erkennt man Alkohol (Alcohol denat.) oder bestimmte Pflanzenextrakte weit oben in der Liste – ein Hinweis, dass hiermit konserviert wurde.

Naturkosmetik setzt häufig auf mildere Konservierungsmaßnahmen, was zur Folge hat, dass angebrochene Produkte nicht ewig halten. Viele Bio-Cremes haben nach dem Öffnen eine empfohlene Verbrauchszeit von 6 bis 12 Monaten (siehe Symbol mit geöffnetem Tiegel und “6M/12M”). Das ist völlig ausreichend, erfordert aber, dass man die Produkte regelmäßig aufbraucht und hygienisch behandelt. Im Gegenzug vermeidet man dafür einige synthetische Konservierer, die im Ruf stehen, Hautirritationen zu verursachen. Interessanterweise gelten die vielgeschmähten Parabene – klassische Konservierungsstoffe in vielen älteren Kosmetika – laut Experten als sehr effektiv und hautverträglich. Sie wurden wegen vermuteter Risiken oft durch andere Stoffe ersetzt, die jedoch häufiger Allergien auslösen. Hier zeigt sich, dass “frei von” nicht immer “besser für die Haut” bedeutet. Ein gut formuliertes Produkt – ob mit oder ohne Parabene – ist entscheidend.

Natürlich = besser? Nur mit kritischem Blick

Weder kann man pauschal sagen, dass Naturkosmetik immer besser ist, noch sollte man sie als unwirksam abtun. “Natürlich” an sich ist kein Gütesiegel für Qualität oder Verträglichkeit – es kommt auf die Details an. Moderne Öko-Kosmetik punktet mit nachhaltigen Konzepten, meist sehr verträglichen Rezepturen und dem Verzicht auf bestimmte problematische Chemikalien. Doch auch hier gilt es, Inhaltsstoffe zu prüfen, auf Zertifizierungen zu achten und nicht jedem Marketingversprechen blind zu glauben. Konventionelle Kosmetik wiederum bietet oft High-Tech-Wirkstoffe und lange Haltbarkeit, hat aber manchmal Inhaltsstoffe, die umstritten sind oder Umwelt und Haut belasten können.

Für Verbraucher bedeutet das: Am besten informiert entscheiden. Naturkosmetik kann eine hervorragende Wahl sein – etwa wenn man Wert auf ökologische Produktion, tierversuchsfreie Entwicklung und mildere Inhaltsstoffe legt. Sie ist aber kein Freifahrtschein, um sich keine Gedanken mehr über Inhaltsstoffe zu machen. Letztlich ist das individuelle Produkt entscheidend. Wer seine Haut und die Umwelt schonen möchte, sollte Produkte wählen, die hochwertige Inhaltsstoffe, eine transparente Herstellung und möglichst nachhaltige Verpackungen vereinen. Ob diese aus einem Labor oder einem Garten stammen, ist zweitrangig, solange die Qualität stimmt.

Natürlich kann besser sein – wenn man es mit Köpfchen angeht und Mythos von Wahrheit trennt.

QUELLEN:

Verbraucherzentrale – Was ist Naturkosmetik? (Stand: 28.05.2025)

Feelgood Magazin – Naturkosmetik: 6 Mythen im Faktencheck (19.03.2025) 

dieNikolai Blog – Faktencheck: Naturkosmetik-Mythen

Roum Skincare Magazin – Warum “natürlich” nicht immer sicher ist 

Hautschutzengel – Die größten Kosmetik-Mythen

Allum.de – Parabene 

Berliner Morgenpost – Parabene in der Kosmetik: Experten warnen vor “Cocktail-Effekt” (12.10.2023)

ÖKO-TEST – Allergene Duftstoffe: Künftig mehr Klarheit... (05.02.2024) 

Beauty Forum – Bio- und Naturkosmetik: Trends für 2025 (22.04.2025)

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